Warum verliert Patrick Burghardt überraschend?

Überraschend verliert Amtsinhaber Patrick Burghardt (CDU) die Stichwahl zum Oberbürgermeister am gestrigen Sonntag (8. Oktober). Warum? Burghardts erkennbare Achillesferse war seine Aufgabe als Kämmerer. Die Stadt muss ihren defizitären Haushalt dringend sanieren. Einen Konsolidierungsplan ist Burghardt jedoch vollkommen schuldig geblieben. Keinen einzigen Sparvorschlag hat er entwickelt. Er wird jetzt als der OB in die Geschichte der Stadt eingehen, der an der Steuerschraube gedreht hat – erst die Verdopplung der Grundsteuer, jetzt der Plan einer Straßenabgabe zu Lasten der Bürger.

Von SPD und Grünen sind erst recht keine Sparvorschläge zu erwarten. Wenn aber der CDU-Kandidat keine Alternative präsentiert, zweifelt man als bürgerlicher Wähler, warum man seine Stimme für Burghardt abgeben soll. Wir haben immer wieder einen Konsolidierungsplan von ihm gefordert, damit die Straßenabgabe überflüssig wird. Die FDP und der bürgerliche Teil des Viererbündnisses, nämlich WsR, haben diese Forderung übernommen – leider ohne Erfolg. Zu uns sagte Burghardt, er brauche uns nicht. Zu WsR hat die CDU eine Abneigung gepflegt, die auf beiderseitigen persönlichen Animositäten beruht. Dabei sind CDU und WsR in vielen Fragen inhaltlich sehr nahe beieinander. Trotzdem hat Burghardt es versäumt, das bürgerliche Lager auf sich einzuschwören. So blieb WsR nichts anderes übrig als ihren Wählern zu empfehlen, für den Kandidaten von Rot-Rot-Grün zu stimmen. Dies hat Udo Bausch zum Sieg verholfen.

Wir gratulieren Udo Bausch zu seinem Erfolg. Zweifellos hat er die Erfahrung und die Statur für einen Oberbürgermeister. Die entscheidende Frage ist jetzt, ob er eigene Schwerpunkte setzt und ob er sich als OB aller Rüsselsheimer versteht. Oder wird er dezidiert rot-rot-grüne Politik betreiben, wie sie von den Fraktionen vorgegeben wird, deren Kandidat er war? Bausch hat jetzt die selbstverständlichen 100 Tage Zeit, in der wir sein Handeln wohlwollend beobachten. Dann bilden wir ein erstes Urteil. Sein Amt als OB tritt er zwar erst am 1. Januar an. Bereits in den nächsten Monaten jedoch fallen in Rüsselsheim die Entscheidungen zum Haushalt 2018 und nochmals zur Straßenabgabe. Hier muss Bausch bereits zeigen, was seine Absichten sind.

Patrick Burghard wünschen wir alles Gute für die Zukunft. Wir haben ihn trotz Bedenken gewählt. Er hat Rüsselsheim aus seiner Depression herausgeführt und eine Aufbruchstimmung erzeugt. Für seinen Nachfolger ist es Chance und Aufgabe, diese Stimmung aufrecht zu erhalten und zu nutzen.

Stichwahl am Sonntag: Bausch oder Burghardt?

Wer Udo Bausch in der Stichwahl unterstützt, wählt das Projekt Rot-Rot-Grün. Bausch ist zwar ein parteiloser, bürgerlicher Kandidat mit Erfahrung als Wirtschaftsdezernent. Als solcher hat er aber SPD und Grüne nur bedingt hinter sich. Die Grünen haben sich sogar aus seinem Wahlkampf bis zum ersten Wahlgang am 24. September fast gänzlich herausgehalten. Erst als sie gesehen haben, dass er trotzdem ein respektables Ergebnis erzielen konnte, bekräftigten sie das sozialistische rot-rot-grüne Projekt. Die Skepsis der SPD gegenüber ihrem eigenen Kandidaten zeigte sich bereits in der Parteiversammlung, die ihn nominierte. Nicht ein einziger Sozialdemokrat hatte eine Frage an ihn. Auch unterstützende Worte aus den Reihen der Mitglieder sind ausgeblieben, schreibt die Main-Spitze. Ein Oberbürgermeister ohne festen Rückhalt in seinen Fraktionen, wird schwerlich regieren können.

Rüsselsheim braucht auch zur Zeit nicht mehr Sozialismus sondern weniger. Die SPD hat in den Zeiten ihrer jahrzehntelangen Mehrheit das Geld mit vollen Händen ausgegeben und verteilt. Als Folge davon ist Rüsselsheim bis zum Anschlag verschuldet. Jetzt muss der Haushalt konsolidiert werden. SPD und Grüne haben leider am Sparen weiterhin kein Interesse. Allerdings hat der amtierende Oberbürgermeister und Kämmerer Patrick Burghardt (CDU) bisher auch keine Sparanstrengungen unternommen. Er dreht wiederholt an der Steuer- und Abgabenschraube. Erst wurde die Grundsteuer verdoppelt. Jetzt favorisiert er einen Straßenbeitrag, der einen durchschnittlichen Haushalt pro Jahr etwa 400 Euro zusätzlich kostet. Wir meinen, der Bürger darf nicht jedes Jahr stärker belastet werden. Die Konsolidierung des städtischen Etats muss vielmehr auf der Ausgabenseite erfolgen. Befremdlich ist dabei auch, dass Burghardt immer wieder die Alternativlosigkeit des Straßenbeitrags zu Lasten der Bürger betont. Er sei juristisch gezwungen, ihn einzuführen. Wahr ist jedoch, dass der Beitrag uns nur dann aufgezwungen wird, wenn der Magistrat und der Kämmerer weiterhin keine eigenen Sparanstrengungen unternehmen.

Burghardt hat immerhin in der hochverschuldeten Stadt Rüsselsheim mit ihrem heruntergekommenen Zentrum das Kunststück vollbracht, die Stimmung zu wenden. Anstelle einer weitverbreiteten Untergangsstimmung hat er eine Atmosphäre des Aufbruchs erzeugt. Er hat den Hessentag nach Rüsselsheim geholt und einige Projekte in der Stadt vorangebracht wie die Entwicklung des ehemaligen Karstadt Areals. Er ist ein Macher, der seine Umgebung für eine Sache begeistern kann. Als solchen werden wir ihn wählen – wohl wissend und bedauernd, dass er der Oberbürgermeister der weiter steigenden Abgabenlasten der Bürger sein wird. Hier gibt es nur geringe Unterschiede zwischen den etablierten Parteien CDU, SPD und Grünen. Diese fatale Lage wird sich erst ändern, wenn neue Parteien in unserer Stadt heranwachsen.

Wer soll Oberbürgermeister werden?

Teil 2: Patrick Burghardt oder Joachim Walczuch?

In den letzten Jahrzehnten ist Rüsselsheim immer weiter heruntergewirtschaftet worden. Immer neue Schulden wurden bei der Stadt mit ihren Eigen- und Nebenbetrieben angehäuft. Gleichzeitig wurde die Erhaltung der Infrastruktur vernachlässigt. An Schulen, Kitas, Sporthallen, Schwimmbädern, Straßen ist dadurch ein gewaltiger Investitionsstau entstanden. Am deutlichsten sichtbar ist der Tiefpunkt der Stadtentwicklung an der heruntergekommenen Innenstadt südlich des Marktplatzes. Der jahrzehntelange Niedergang mündete in eine regelrechte Depression bei Bürgern und Politikern.

Das Kunststück, diese Stimmung zu wenden, schaffte der amtierende Oberbürgermeister Patrick Burghardt. Er zeigte an einzelnen Projekten, dass eine Wende möglich ist. So gelangte die Karstadt-Ruine auf sein Betreiben in den Besitz der städtischen Gewobau. Damit kann das Areal nun nach 17 Jahren des Leerstandes endlich wieder überbaut werden. Auch die Brache auf dem Filetgrundstück zwischen Rathaus und Maindamm, die 70 Jahre lang bestand, beendete Burghardt. In Kürze wird dort ein Hotel mit Hausbrauerei eröffnen. Insbesondere holte Burghardt den Hessentag in die Stadt. All dies mündete in eine Aufbruchstimmung, die es jetzt geschickt zu nutzen und zu erhalten gilt.

Die Achillesferse des amtierenden OB ist jedoch die Finanzpolitik. Burghardt, der gleichzeitig Kämmerer ist, hat kein Konzept, wie Ausgaben und Einnahmen der Stadt ins Gleichgewicht gebracht werden können. Der Etat 2017 sieht zusätzlich zu allen schon vorhandenen Schulden nochmals ein Defizit von mehr als 12 Millionen vor. Unter diesen Umständen fordert die Regierungspräsidentin als Aufsichtsbehörde die Einführung einer Straßenabgabe. Diese zusätzliche steuerartige Abgabe, die einen durchschnittlichen Haushalt in Rüsselsheim mit etwa 400 Euro jährlich belasten würde, hat das Stadtparlament schon dreimal abgelehnt. Trotzdem behauptet der Oberbürgermeister immer wieder, die Abgabe sei gesetzlich erforderlich. Jetzt zwingt er das Parlament noch ein viertes Mal über die gleiche Angelegenheit abzustimmen. Er verschweigt dabei die Alternative: Ein Konsolidierungsplan des Kämmerers selbst. Dazu hätte er 9 Monate Zeit gehabt, denn die Forderung der Regierungspräsidentin stammt vom Dezember 2016. In dieser ganzen Zeit hat er keine Sparmaßnahmen entwickelt.

Zur Entlastung des CDU-OB muss man wissen, dass die anderen etablierten Parteien SPD und Grüne erst recht nicht konsolidieren wollen. Würde der OB unter diesen Umständen tiefgreifende Sparmaßnahmen fordern, würden SPD und Grüne die betroffenen Bürger im Wahlkampf sofort gegen den OB und Kämmerer mobilisieren. Es ist aber nun einmal die Aufgabe des Kämmerers, beim Sparen voranzugehen und ein ausgewogenes Konzept vorzulegen.

Wenn die etablierten Parteien CDU, SPD und Grüne den Haushalt nicht in Ordnung bringen können oder wollen, ist es Zeit, eine neue Partei in Betracht zu ziehen. In Rüsselsheim ist die neue bürgerliche Protestpartei „Wir sind Rüsselsheim“ (WsR) mit fünf Stadtverordneten (von 45) im Parlament vertreten. WsR ist aus einer Reihe von Bürgerinitiativen entstanden. Eine davon hat beispielsweise den Erhalt der Königstädter Gerhard-Hauptmann-Schule in einem Bürgerentscheid erzwungen. Der Vorsitzende von WsR, Joachim Walczuch, kandidiert nun als Oberbürgermeister. Walczuch sagt klar, dass er die Steuern und Abgaben zu Lasten der Bürger nicht mehr erhöhen will. Der Haushalt muss auf der Ausgabenseite der Stadt konsolidiert werden. Kommunale Aufgaben müssen begrenzt und zurückgefahren werden. Zur allmählichen Wiederherstellung der Infrastruktur muss ein Gesamtplan aller erforderlichen Maßnahmen entwickelt werden. Dann müssen Prioritäten gesetzt werden, die dann nach Wichtigkeit in dem Maße abgearbeitet werden, wie es ein ausgeglichener Haushalt zulässt.

Zusammengefasst gesagt, ist Patrick Burghardt der Macher, der mit einzelnen Projekten das Image der Stadt hebt. Joachim Walczuch ist der Planer, der mit einem Gesamtkonzept die großen Aufgaben angeht, nämlich Abbau der Verschuldung und Wiederaufbau der Infrastruktur.

Wer soll Oberbürgermeister werden?

Teil 1: Udo Bausch

SPD und Grüne schicken den 61-jährigen Udo Bausch ins Rennen. Er stammt vom Untermain und hat viele Jahre in Rüsselsheim zugebracht. Bausch ist Jurist und Diplom-Verwaltungswirt. Seit 2010 hat er seinen Lebensmittelpunkt in Bad Kreuznach, wo CDU, Grüne und FDP ihn zum hauptamtlichen Magistratsmitglied wählten. Sein Dezernat umfasst die Wirtschaftsförderung und die Schulen. Wegen neuer Mehrheitsverhältnisse hat er in Bad Kreuznach kaum Chancen, wiedergewählt zu werden. Manche Gegner machen daraus gleich ein Argument gegen ihn: Er suche ja nur noch eine Beschäftigung, um seine Rente zu komplettieren. Diesen Einwand halten wir für abwegig. Udo Bausch ist ein engagierter Kandidat, der die Strapazen eines Wahlkampfs auf sich nimmt. Durch seine Kandidatur haben die Rüsselsheimer eine zusätzliche Auswahlmöglichkeit.

Seinen Wahlkampf bestreitet Bausch vor allem mit weichen Themen. So kümmert er sich um Schlichtung eines Nachbarschaftsstreits zwischen dem Wirt des Bauschheimer Traditions-Gasthauses „Zur Krone“ und einem prominenten Nachbarn. Anlässlich der Rüsselsheimer Kerb beispielsweise informiert Bausch sich auch über die Probleme der Schausteller. Dies ist sehr löblich, reicht aber nicht für einen Oberbürgermeister. Das harte Thema, mit dem er am meisten punkten kann, ist die Wirtschaftsförderung. Durch Gewerbeansiedlung will er die Einnahmeseite des Rüsselsheimer Haushalts verbessern und zukunftsträchtige neue Arbeitsplätze schaffen. Damit ist er allerdings nicht im Vorteil gegenüber den beiden anderen OB-Kandidaten. Diese haben die Wirtschaftsförderung ebenfalls als Schlüsselfunktion für die Zukunft unserer Stadt erkannt, nachdem diese vorher jahrzehntelang sträflich vernachlässigt worden war.

Udo Bausch gehört keiner der beiden Parteien an, für die er zum OB kandidiert. Aus der SPD ist er sogar ausgetreten. Eine SPD-Mitgliederversammlung hat ihn zwar einstimmig nominiert. Merkwürdig ist dabei jedoch, dass nicht ein einziger Sozialdemokrat in der Versammlung eine Frage an ihn hatte. Auch unterstützende Worte aus den Reihen der Mitglieder seien ausgeblieben, schreibt die Main-Spitze. Wo die Unterstützung durch die SPD noch halbherzig ist, so scheint sie durch die Grünen kaum vorhanden. Die halten sich weitgehend aus Bauschs Wahlkampf heraus. Wir nehmen an, die Grünen erwarten eine Niederlage bei der Wahl, mit der sie möglichst nichts zu tun haben wollen. Wenn es an Unterstützung für Udo Bausch aus den eigenen Reihen mangelt, sind Konflikte vorprogrammiert. Somit werden wir ihn auch nicht als ersten Kandidaten empfehlen.

Straßenabgabe: Neues Druckmittel

Viele Anwohner haben sich große Sorgen gemacht, dass sie bei einer grundlegenden Sanierung ihrer Straße einen hohen fünfstelligen Beitrag zahlen müssen. Eine solche Version einer Straßenbeitragsordnung stand aber in Rüsselsheim bisher nicht zur Diskussion. Noch kürzlich konnten wir daher in diesem blog Entwarnung geben. Diskutiert wurde lediglich die Umlage der Kosten auf eine längere Zeit und auf zahlreiche Einwohner größerer Stadtgebiete. Die Lage hat sich jetzt aber grundlegend gewandelt.

Thorsten Weber, der starke Mann der CDU-Fraktion, berichtet von einem Gespräch des OB mit der Regierungspräsidentin, also der Aufsichtsbehörde. Weber übermittelt, die Regierungspräsidentin werde die Version der Einmalzahlung eines Straßenbeitrags per Zwang einführen, wenn sich das Stadtparlament weiter weigert, dem Straßenbeitrag überhaupt zuzustimmen. Hier werden also die Daumenschrauben nochmals kräftig angezogen.

Wir finden es gut, dass der OB und die Regierungspräsidentin miteinander beraten. Wir gehen auch davon aus, dass es nicht der OB war, der den Vorschlag verstärkten Drucks auf die Stadtverordneten unterbreitet hat. Dies wäre ja eine Kampfansage an das Parlament. Der Plan muss eher von der Regierungspräsidentin stammen. Dabei ist allerdings unverständlich, warum sie sich nicht direkt an das Parlament wendet. Wie kann es sein, dass die CDU bevorzugt informiert wird? Jetzt nutzt die CDU das Druckmittel der Regierungspräsidentin und setzt es gegen die Mehrheit des Stadtparlaments ein.

Wir werden uns dadurch nicht beeindrucken lassen. Der Bürger darf nicht jedes Jahr immer stärker zur Kasse gebeten werden. Wir werden die Straßenabgabe weiterhin ablehnen. Der Haushalt kann nicht auf Kosten der Steuer- und Abgabenzahler konsolidiert werden. Wir fordern ein Sparkonzept des OB als Kämmerer sowie des Magistrats. Die Ausgaben müssen an die Einnahmen angpasst werden.

Wohin sollen die neuen Sophie-Opel-Schüler?

In der Friedrich Ebert-Siedlung hat die neue Sophie-Opel-Schule (SOS) ihren Betrieb zum Schuljahresbeginn 2016 in einem Container-Provisorium begonnen. Zum Schuljahresbeginn 2017 wurde ein zweiter Jahrgang von Schülerinnen und Schülern aufgenommen. Plötzlich wird nun bekannt, dass für die nächsten beiden Jahrgänge noch überhaupt keine Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Eilig verfasst Baustadtrat Kraft (SPD) eine Magistratsvorlage für die Stadtverordnetenversammlung, nach der dringlich 2 Millionen neue Mittel für ein weiteres Container-Provisorium bereitgestellt werden sollen. Wie hastig die Vorlage zustande gekommen ist, zeigt sich im Finanzposten „Risiko“, der fast ein Viertel der geschätzten Gesamtkosten ausmachen soll.

Die Preise schießen durch die Decke, wenn man erst bestellt und dann fragt, was es kostet

Chaos zieht sich durch die Planung der SOS aber schon von Anfang an. Zuerst wurde der Kostenplan von 2013 nicht gehalten. Dann wurde auch der Finanzrahmen vom Februar 2016 gesprengt. Schon nach einem halben Jahr kam heraus, dass die Kosten nochmals um ein Drittel explodieren. Sie belaufen sich nunmehr auf vorläufige 40 Mio. Dabei ist der Baustadtrat gar nicht einmal der alleinige Sünder. Vielmehr hat die Mehrheit des Parlaments den Bau einer acht- bzw siebenzügigen neuen Schule mit neuem pädagogischen Konzept beschlossen, ohne dass die Schule überhaupt geplant war. Belastbare Kostenschätzungen waren erst recht nicht bekannt. Dabei ist klar, dass die Preise durch die Decke schießen, wenn man erst bestellt und danach fragt, was es kostet. Diese fatale falsche Reihenfolge hat sich in den letzten Jahrzehnten im ehemals reichen Rüsselsheim eingebürgert. Eine Abkehr von dieser misslichen Praxis wäre eine erste Voraussetzung einer Haushaltskonsolidierung in Rüsselsheim.

Spätestens in November 2016 war intern bekannt, dass 2018/19 kein einziges Gebäude steht

Bis heute ist die Schule nicht fertig geplant. Den Eltern haben Schuldezernent Grieser (Grüne) und der Rektor der SOS, Jens Krämer, erklärt, die Kinder könnten ab 2018 freundliche, neu errichtete Schulgebäude beziehen. In der Sitzung des Bauausschusses vor wenigen Tagen war Rektor Krämer deutlich anzumerken, in welcher schwierigen Lage er sich jetzt befindet. Er hat sich auf die Pläne der Politik verlassen und den Eltern versprochen, dass die Container-Provisorien 2018 zu Ende sind. Dabei ist seit langem intern klar, dass kein einziges Gebäude 2018 fertig wird. In der Magistratsvorlage für die Sitzung der Stadtverordneten vom November 2016 (Drucksache 115/16-21 öffnen) wird die Bezugsfertigkeit des Gebäudes für den ersten Jahrgang auf 2020 terminiert. Das bedeutet, dass die 2016 eingeschulten Fünftklässler erst die neunte Klasse in einem Gebäude verbringen werden, vorausgesetzt es kommt nicht zu weiteren Verzögerungen. Wir haben dies damals in Parlament moniert.

Unterricht im Keller und in einem zusätzlichen Container-Provisorium?

Inzwischen geht die Pannenserie in der Planung der SOS schon bei den zwei nächsten Jahrgängen weiter. Zum einen soll ein folgender Schülerjahrgang der SOS in Kellern der Friedrich-Ebert-Schule (FES) unterrichtet werden. Diese befinden sich noch dazu in schlechtem Zustand. Dagegen wehrt sich sogar der Elternbeirat der FES im Sinne der Sophie-Opel-Schüler. Zum andern soll noch ein zusätzliches Container-Provisorium auf dem Pausenhof der benachbarten Hasengrundschule errichtet werden. Dieses Provisorium soll einen vierten Jahrgang der SOS aufnehmen. Dies ist nicht nur fatal für die Sophie-Opel-Schüler. Auch die Hasengrundschule leidet darunter. Sie hat schon einen Teil ihres Pausenhofs für ein Flüchtlingsheim abgeben müssen. Sowohl die Schulgemeinde als auch die Anwohner der Hasengrundschule wurden vom Bau des Flüchtlingsheims überrumpelt, ein Versäumnis des zuständigen Dezernenten Grieser. Jetzt wird die Schulgemeinde der Hasengrundschule zusätzlich davon in Kenntnis gesetzt, dass sie auch noch den übrigen Teil des Pausenhofs verlieren soll. Ein Gespräch mit der Schulgemeinde fand vor dem Magistratsbeschluss nicht statt. Schulleitung, Eltern und Elternvertreter protestieren. Auf Grund des Protests ist es gut möglich, dass die Stadtverordnetenversammlung in ihrer nächsten Sitzung am 7. September den Plan des Magistrats verwirft oder abändert.

Bürgermeister Grieser sollte die Konsequenzen ziehen

Für die verfehlte Informationspolitik des Magistrats seit Jahren ist insbesondere der Schuldezernent Grieser verantwortlich. Wie gesagt, war spätestens im November 2016 intern bekannt, dass das erste Jahrgangsgebäude der SOS voraussichtlich im Jahre 2020 fertig wird. Eltern, Lehrer und Schüler wurden die ganze Zeit bis jetzt in Unkenntnis gelassen. Erst kürzlich, zum Schuljahresbeginn 2017 wurde ein weiterer Jahrgang an der SOS aufgenommen, ohne bekannt zu geben, dass auch diese Schülerinnen und Schüler fast ihre gesamte Schulzeit in Containern verbringen müssen. Dem Schuldezernenten geht es bei der SOS um den Aufbau einer Prestigeschule, koste es was es wolle. An die Schülerinnen und Schüler hat er dabei über Jahre hinweg nicht genügend gedacht. Er sollte die Konsequenzen daraus ziehen.

Bürgerversammlung: Was bleibt vom Hessentag?

Aufbruchstimmung – aber auch Defizit von bis zu 7,3 Millionen

Eine Bürgerversammlung zum Thema „Was bleibt vom Hessentag?“ findet am Dienstag, 29. August um 19 Uhr im Ratssaal des Rathauses statt. Schon vorher kann man sagen, dass die Rüsselsheimer Innenstadt vom Marktplatz bis zum Mainufer wieder zum Treffpunkt der Bürger geworden ist. Man kommt regelmäßig zum Boule-Spielen unter den Bäumen des Marktplatzes zusammen oder zum Picknick bei Wein und Salami im Stadtpark. Am Mainufer organisieren Rüsselsheimer Vereine nahezu  jedes Wochenende „Wein am Main“. Dies ist ein Weinprobierstand mit Musik.

Nach jahrzehntelangem Niedergang der Innenstadt, der in eine regelrechte Depression mündete, herrscht jetzt wieder Aufbruchstimmung. Die Bürger identifizieren sich wieder stärker mit Rüsselsheim. Die Vorzüge der Stadt und ihr Potential kommen wieder ins Bewusstsein. Dies ist die Leistung des Oberbürgermeisters Patrick Burkhardt (CDU), die sich nicht nur im Hessentag zeigt. Vielmehr hat er auch schon vorher einige Projekte angestoßen, die bis dahin jahrzehntelang ruhten, insbesondere die Wiedernutzung des Karstadt-Areals und die Ansiedlung eines Hotels mit Brauerei zwischen Rathaus und Maindamm. Wie wir den Schwung der jetzigen Aufbruchstimmung weiter nutzen können, darüber wird die Bürgerversammlung am Dienstag beraten.

Ein gewichtiger Punkt beim Hessentag sind aber auch die Finanzen. Rüsselsheim kann sich keine weiteren Schulden und Defizite leisten. Deshalb hat OB Burghardt auch versichert, dass das Landesfest kein Defizit zurücklassen wird. Mittlerweile ist aber klar, dass es doch ein Millionenminus gibt. Zahlen will der OB nicht nennen. Die Abrechnung brauche Zeit bis Ende 2018. In den sozialen Medien kämpfen die Freunde des OB geradezu um diese Frist. Wer zweifelt, so lange warten zu müssen, wird schon einmal regelrecht mit Schande geächtet. Wir meinen jedoch, dass gerade der Wahlkampf die Zeit ist, in der man die wesentlichen Fragen diskutieren muss. Wozu sonst soll der Wahlkampf dienen?

Also schätzen wir einmal das Defizit. Eine Ursache des Minus sind verschärfte Sicherheitsanforderungen für das Landesfest, die ursprünglich nicht vorhersehbar waren. Hier hat der Landtag vom Chef der hessischen Staatskanzlei, Axel Wintermeyer (CDU), erfahren, dass die Kosten für den Gastgeber Rüsselsheim um 1,5 Millionen über der Planung liegen. Eine andere Ursache des Minus sind unerwartet niedrige Besucherzahlen bei fünf Großkonzerten (Scorpions, Kings of Leon, David Garrett, Peter Maffay, italienische Sommernacht). Die Hessentagsarena fasste 32.000 Besucher. Aus der Zahl der verkauften Karten können wir berechnen, dass insgesamt 115.500 Plätze leer blieben. Bei einem durchschnittlichen Ticketpreis von geschätzt 50 Euro sind dies fehlende Einnahmen von 5,8 Millionen. Der OB gibt nicht bekannt, wie viele Besucher kalkuliert waren, um ohne Defizit dazustehen. Deshalb bedeutet unsere Zahl eine obere Abschätzung für den schlimmsten Fall: 5,8 Mio plus 1,5 Mio für die Sicherheit entspricht 7,3 Mio als obere Grenze des Defizits. Dies sind 200 Euro, die jeder Rüsselsheimer Haushalt im schlimmsten Fall durchschnittlich zahlen muss. Das tatsächliche Defizit dürfte darunter liegen. Allerdings kommen zum Schluss noch die bisher geheim gehaltenen Kosten für die Absage des Rapper-Konzerts hinzu.

Die Frage ist, ob uns der Hessentag diese Summe Wert war. Und was hat der Magistrat unternommen, die Verluste auszugleichen? Gibt es Sparanstrengungen an anderer Stelle? Wir gehen davon aus, dass der Oberbürgermeister auf der Bürgerversammlung auch zu den Finanzen eine Erklärung abgibt.

Multi-Organversagen der Groß-Gerauer Politik

Vielerorts leidet die Politik an Organversagen. Dies gilt nicht nur für Rüsselsheim, wo alle drei hauptamtlichen Magistratsmitglieder (CDU, SPD, Grüne) sich weigern, einen Konsolidierungsplan für den notleidenden Haushalt aufzustellen. In der Kreisstadt wird jetzt auch ein Fall von Multi-Organversagen der Politik bekannt. Die Zufahrt zum Gewerbegebiet Hans-Böckler-Straße im Norden der Stadt wird durch eine Baustelle massiv behindert. Die Gewerbetreibenden klagen über derart lange Staus und Umwege, dass ihnen Kunden wegbleiben. Von Umsatzeinbrüchen über 50 Prozent ist die Rede. Die Gewerbetreibenden machen der Stadtverwaltung Vorschläge, wie die Lage verbessert werden kann. Die Stadtverwaltung ist jedoch nicht bereit, darauf einzugehen oder selbst die Initiative zu ergreifen.

Wer glaubt, Bürgermeister Sauer (CDU) werde helfen, sieht sich enttäuscht. Einen schon vorgesehenen Ortstermin mit den betroffenen Unternehmern hat er abgesagt. Die Verkehrsregelung sei „alternativlos“. Die Gewerbetreibenden müssen jetzt bis Ende des Jahres mit den Einschränkungen leben. Nicht jeder wird dies wirtschaftlich überleben. Die Haltung des Bürgermeisters ist besonders bemerkenswert, da er gerade für den Einzug in den Bundestag kandidiert.

Die Presse berichtet jetzt zusätzlich, dass Anwohner der Hans-Böckler-Straße schon seit mehr als 10 Jahren über eine andere Misere klagen. Die Straße wird nämlich von Lastwagen streckenweise völlig zugeparkt, so dass manchmal selbst mit einem kleinen Auto kaum durchzukommen ist. Schwere Lastwagen parken selbst im Halteverbot, an Einfahrten und auf Bürgersteigen, die sie oft sogar in voller Breite einnehmen. Es ist üblich, dass Lastwagen auch auf dem Bürgersteig fahren, selbst wenn Fußgänger unterwegs sind. Zwei große Lastwagen kommen nämlich auf der Straße kaum aneinander vorbei. Dabei wird die Straße auch von Nauheimer Schulkindern genutzt, die die Schulen in der Kreisstadt besuchen. Besonders prekär sei die Lage am Wochenende, wenn die Motoren von Kühllastwagen auf der Straße rund um die Uhr laufen. Die Anwohner klagen, ihre Eingaben ans Rathaus seien während all der Zeit erfolglos geblieben. Das Ordnungsamt ignoriere ihre Anliegen weitgehend, insbesondere am Wochenende. Die Polizei schreitet nicht ein.

Hier ist also ein gravierendes Problem seit langem bekannt. Die Verwaltung unternimmt nichts und der Bürgermeister stellt sich „alternativlos“ hinter seine Verwaltung. Da können wir nur ein Multi-Organversagen der Groß-Gerauer Politik feststellen. Wir fordern mehr direkte Einwirkungsmöglichkeiten der Bürger (direkte Demokratie) und Gehaltskürzung bei Amts- und Mandatsträgern als Folge nachgewiesener Schlechtleistung.

Bürgerversammlung zum drohenden Straßenbeitrag?

Mehr Information zum drohenden Straßenbeitrag wird in Rüsselsheimer Facebook-Gruppen gefordert. Der Stadtverordnetenvorsteher wurde sogar gebeten, eine Bürgerversammlung einzuberufen. Worauf beruht die Einschätzung vieler Bürger, nicht richtig informiert zu sein? Unseres Erachtens sind es vor allem zwei Gründe:

(1) Oberbürgermeister Burghardt sagt, Rüsselsheim sei durch Gesetz gezwungen, eine neue Abgabe zu Lasten der Bürger einzuführen. Damit sollen die grundhaften Sanierungen der Straßen bezahlt werden, die in Zukunft erforderlich sind. Demgegenüber hat die Mehrheit des Stadtparlaments eine Zusatzbelastung der Bürger mehrfach verweigert und Alternativen gefordert.

(2) Aus anderen Städten kommen Hiobsbotschaften, wonach Eigentümer ruinöse Straßenbeiträge in der Größenordnung von Zehntausenden oder gar Hundertausenden Euro zahlen müssen.

Einmalzahlungen in fünf- oder sechsstelliger Höhe stehen in Rüsselsheim nicht zur Debatte. Stattdessen wird ein Modell diskutiert, bei dem die Kosten einer Straße verteilt werden, nämlich jeweils auf mehrere Jahre und zahlreiche Bürger eines größeren Wohngebiets. („wiederkehrender Straßenbeitrag“) Nach unserer Schätzung werden dabei etwa 400 Euro pro Haushalt fällig. Diese Abgabe wäre jedes Jahr zu zahlen und träfe Mieter wie Eigentümer gleichermaßen, sollte sie beschlossen werden.

Die Behauptung des Oberbürgermeisters, es gebe keinen Weg an der Straßenabgabe vorbei, trifft nicht zu. Die Alternative ist ein Sparkonzept des Magistrats selbst. Die Forderung der Regierungspräsidentin nach Einführung eines Straßenbeitrags steht immerhin schon seit 8 Monaten im Raum. Um den Straßenbeitrag überflüssig zu machen, hätte der Magistrat in dieser Zeit schon längst einen eigenen Plan zur Haushaltssicherung aufstellen müssen. Alle drei Hauptamtlichen im Magistrat, der CDU-OB Burghardt, der grüne Bürgermeister Grieser und der SPD-Stadtrat Kraft, weigern sich jedoch vor dieser Aufgabe. Dieses Versagen muss sich insbesondere der Oberbürgermeister anrechnen lassen, denn er ist der Kämmerer. Das Versagen bei der Haushaltskonsolidierung ist geradezu seine Achillesferse bei aller Leistung, die er sonst erbracht hat.

Bürgerversammlungen begrüßen wir generell, denn sie ermöglichen dem Bürger die direkte Diskussion mit den beteiligten Politikern. Eine Versammlung zum Straßenbeitrag hat jedoch wenig Sinn, wenn der Magistrat nur auf seine „alternativlose“ Abgabenerhöhung pocht. Ein alternatives Haushalts-Sicherungskonzept muss her.

 

Nachtrag 1. August 2017. Stadtverordnetenvorsteher Jens Grode hat entschieden, keine Bürgerversammlung einzuberufen. Dies teilt Achim Weidner, Mitinitiator der Idee einer Bürgerversammlung mit. Der Stadtverordnetenvorsteher verweist auf einige Dokumente zur weiteren Verdeutlichung der Thematik eines Straßenbeitrags. Wir verlinken diese Quellen hier:

Beschlussvorlage des Magistrats vom 25. 11. 2016 für das Stadtparlament mit dem Ziel, einen wiederkehrenden Straßenbeitrag einzuführen

Beschlussvorlage des Magistrats vom 15. 2. 2017 für das Stadtparlament mit dem Ziel, einen wiederkehrenden Straßenbeitrag einzuführen

Beschlussvorlage des Magistrats vom 25. 5. 2017 für das Stadtparlament mit dem Ziel, einen wiederkehrenden Straßenbeitrag einzuführen

Vortragsunterlagen des Unternehmens Habermehl et al., das der Magistrat beauftragt hat, die Straßenbeitragssatzung vorzubereiten

Bemerkung: Alle Beschlussvorlagen des Magistrats, einen Straßenbeitrag einzuführen, wurden vom Stadtparlament abgelehnt

 

Karl Marx – der falsche Prophet

Philip Plickert in der FAZ – das beste, was wir über Karl Marx jemals gelesen haben. Seine zentralen Vorhersagen lagen daneben. Und wie Kommunismus praktisch funktionieren sollte, darüber hatte er so gut wie nichts zu sagen. Es waren vor allem die pseudoreligiösen Paradiesideen, die seine Rezeptionswirkung begründeten, und weniger seine Philosophie und schon gar nicht seine ökonomischen Gehversuche.