Wäldchen statt Markt auf dem Marktplatz

Wäldchen vertreibt Markt vom Marktplatz

Eine Zumutung sei der Marktplatz, schimpfte der Marktbeschicker Werner Stahl kürzlich im Bauausschuss des Stadtparlaments. Der Bauschheimer Landwirt, der auch Stadtverordneter ist, kritisierte den „wassergebundenen“ Bodenbelag um die Bäume herum. Bei anhaltender Trockenheit fliegt einem der Staub um die Ohren und legt sich auf die Lebensmittel. Bei Nässe stehen Kunden und Markbeschicker teilweise in ausgedehnten Pfützen. Auch Veranstalter von Musikdarbietungen beschweren sich. Nach einem Auftritt in Rüsselsheim muss die elektronische Ausrüstung aufwendig gereinigt werden.

Der Murks, der beim Umbau des Marktplatzes geleistet wurde, ist ein Paradebeispiel für schlechtes Regieren und die Krise von Staat und Politik. Ich fasse die Geschichte zusammen und diskutiere dann Lösungsmöglichkeiten.

Ursprüngliches Ziel: Platzcharakter stärken

Ursprünglich sollte der gemeinsame Platzcharakter von Marktplatz und Rathausvorplatz gestärkt werden. Zu diesem Zweck sollte die Frankfurter Straße verkehrsberuhigt und verschmälert werden. Dies forderten alle etablierten Parteien (CDU, SPD; Grüne) in einer gemeinsamen Erklärung schon in der letzten Legislatur. Der Grundgedanke dabei ist eigentlich gut. Die stark befahrene Straße zerschneidet den Platz. Könnte man den Durchgangsverkehr umleiten, hätte man eine schöne große Fläche, umsäumt von einem Ensemble architektonisch zusammenpassender Häuser. Das könnte der schönste Platz in Rüsselsheim werden. Die Idee war aber von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die Frankfurter Straße ist eine Hauptverkehrsstraße. Es gibt keinen Ersatz für sie. Die beteiligten Parteien wussten dies. Trotzdem haben sie ihren undurchführbaren Plan beschlossen. Es hat ihnen gereicht, dass ihre gemeinsame Erklärung für positive Presseberichte sorgte. Die Folgen verdrängten sie.

Magistrat plant gar keine Verkehrsberuhigung

Der Umbauplan des Baudezernenten sah dann auch gar keine Verkehrsberuhigung vor. Die Frankfurter Straße mit ihren Busspuren ist heute etwa gleich breit wie vorher auch. Eine über 10 m breite Straße zerschneidet die Fläche von Rathausvorplatz und Marktplatz nach wie vor. Von der Stärkung des Platzcharakters keine Spur. Zwei Millionen Hessentagsmittel wurden hier und am Friedensplatz versenkt ohne jeglichen städtebaulichen Sinn.

Ein Wäldchen auf dem Marktplatz

Statt einer Verkehrsberuhigung plante der Magistrat die Pflanzung zusätzlicher Bäume, so dass wir jetzt ein kleines Wäldchen auf dem Marktplatz haben. Für die Bäume musste ein „wassergebundener“ Bodenbelag her. Das Wäldchen finde ich durchaus schön. Es ist aber nicht zweckmäßig. Jede Stadt benötigt einen zentralen Platz für Veranstaltungen. Dabei stören großflächig aufgestellte Bäume. In nahezu allen anderen Städten kann man beobachten, dass es eine zentrale freie Fläche als Marktplatz gibt. Diese wird von ansprechenden Bauten ringsum eingefasst. Bäume behindern das Aufstellen von Marktständen oder Bühnen. Das ist seit Jahrhunderten bekanntes Wissen. Nur in Rüsselsheim ist diese Erkenntnis bei der politischen Mehrheit verloren gegangen.
Dass eine „wassergebundene“ Decke nicht dauerhaft ist, kann man sich ebenfalls leicht klarmachen. Jeder hat schon einmal eine Sandburg am Meeresstrand gesehen. Sandburgen sind auch „wassergebunden“ und offensichtlich nicht dauerhaft. Aber auch diese Erkenntnis ignorierte die politische Mehrheit.

Linksbündnis ignoriert praktische Erfordernisse

Das Wäldchen auf dem Marktplatz wurde durch eine Mehrheit von SPD, Grünen und Linken sowie von zwei einzelnen Parlamentariern in der vorherigen Legislatur durchgesetzt. Warum ignorierten sie die praktischen Erfordernisse für einen Marktplatz? Eine große Rolle hat dabei die Gegnerschaft des Linksbündnisses zum damaligen CDU-Oberbürgermeister Patrick Burghardt gespielt. Seine Konzepte wollte man durchkreuzen. Nichts sollte an ihn erinnern. Diese Haltung ist typisch für schlechtes Regieren. Man gönnt dem Gegner keinen Erfolg. Man handelt aus parteitaktischen Beweggründen. Langfristige Folgen werden ignoriert.

Mangelhafte Planung des Baudezernenten

Vor dem „wassergebundenen“ Boden hätte der Baudezernent Kraft (SPD) eindringlich warnen müssen. Es wäre auch seine Aufgabe gewesen, eine variable Möblierung des Marktplatzes vorzusehen. Stattdessen sind die Sitzbänke auf dem Platz aber ortsfest eingebaut. Wenn schon Bäume den Aufbau von Ständen und Bühnen auf dem Platz erschweren, dann müsste es wenigstens möglich sein, die Bänke temporär abzubauen. Dies ist aber in Rüsselsheim nicht möglich.

Es kommt hinzu, dass die neuen Sitzgelegenheiten von vornherein auf Verschleiß ausgelegt sind. Das wurde kürzlich bei einer Anfrage von WsR bekannt. Das Lärchenholz der Bänke ist absichtlich nicht lasiert worden. Ihm wird eine Lebensdauer von 12 bis 15 Jahren ohne Schutzanstrich attestiert. Dann ist es verwittert und muss entsorgt werden. Von Nachhaltigkeit keine Spur. Am Main gibt es sogar noch eine Leimholz-Version der Bänke. Die kapituliert schon viel früher. Jeder, der schon einmal ein geleimtes Küchenbrettchen im Wasser kurz abgewaschen hat, weiß dass das Holz an der Leimstelle zerbricht. Warum schlägt der Baudezernent trotzdem Leimholz vor und warum ist dies in der letzten Legislatur keinem Parlamentarier aufgefallen?

Wäldchen vertreibt Markt vom Marktplatz

Auf dem Marktplatz gibt es nun ein Wäldchen. Für den Markt und andere Veranstaltungen ist er daher nur eingeschränkt brauchbar. Dies ist die Folge schlechter Regierung. Weitere Millionen für Reparaturen auszugeben, halte ich für unzumutbar. Der Magistrat sollte ein Konzept alternativer Plätze ausarbeiten, die für den Markt und für Veranstaltungen in Frage kommen. Dazu gehört auch ein Parkplatzkonzept. Denkbare Plätze sind der Bahnhofsvorplatz oder ein Teil des Landungsplatzes.

Das Wäldchen ist ein Alleinstellungsmerkmal Rüsselsheims. Es sollte erhalten werden, wo es nun einmal besteht. Unter den Bäumen kann man gemütliche Biergärten anlegen. Die Boulespieler nutzen den Platz bereits heute als Freizeitgelände. Der einzigartige Platz wäre sogar touristisch interessant. Auf die Geschichte sollte man mit einer Gedenktafel aufmerksam machen: Die Schildbürger haben hier den Marktplatz vertrieben und ein naturnahes Freizeitgelände in die Stadt geholt.

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