Bauplanung nach Gutsherrenart

Bauplanung nach Gutsherrenart

Kaum ist in Rüsselsheim ein neuer Oberbürgermeister im Amt, eskaliert ein überflüssiger Streit mit der Nachbarstadt Raunheim. Es geht um den großflächigen Einzelhandel, der sich zwischen Rüsselsheim und Raunheim angesiedelt hat. Dabei handelt es sich um das „Einkaufszentrum“ (Kaufland), um das direkt angrenzende „Mainkaufzentrum“ und um eine Reihe von weiteren Märkten (Toom, Edeka, Aldi), die sich allesamt auf Raunheimer Gemarkungsgebiet befinden. Das Mainkaufzentrum hat Leerstände zu verkraften. Der Eigentümer möchte die derzeit ungenutzten Flächen daher zusammenlegen, um sie besser vermieten zu können. Gleichzeitig soll der Toom-Baumarkt verschwinden. Angeblich würde er sich nicht rechnen. Der Vermieter plant deshalb, das Gebäude zu vergrößern und zu einem Fachmarktzentrum umzubauen. Bauvoranfragen wurden bei der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem Kreisausschuss, eingereicht. Gegen sie Pläne hat die Stadt Rüsselsheim bereits unter OB Burghardt Einspruch erhoben.
 
Rüsselsheim verfolgt derzeit zwei Versuche, seine Innenstadt wieder aufzuwerten, nämlich die Neunutzung des Opel-Altwerks und die Überbauung der Karstadt-Ruine. Das Karstadt-Areal befindet sich direkt an der Hauptverkehrsstraße (Frankfurter Straße). Meines Erachtens ist es wegen dieser Lage nicht für Wohnbebauung geeignet. Wir sollten hier nichts planen, das mit der Straßensituation in Konflikt gerät. Vielmehr bietet sich an, etwas zu realisieren, das gerade von der Straßensituation lebt.
An der Frankfurter Straße besteht die einzige und wohl letzte Chance für Rüsselsheim, ein innerstädtisches Einkaufszentrum zu errichten, das leicht mit dem Auto erreichbar ist. Großzügige Tiefgaragenplätze könnten auch den notleidenden Einzelhandel in der gesamten Innenstadt beleben. Für ein solches Einkaufszentrum wäre der Raunheimer Einzelhandel eine gewisse Konkurrenz. Von daher ist der Rüsselsheimer Einspruch gegen die Raunheimer Pläne begründet. Bisher konnte man auch erwarten, dass sich die beteiligten Stadtoberhäupter Udo Bausch und Thomas Jühe in Gesprächen verständigen.
 

Rüsselsheimer Magistrat geht auf Konfrontationskurs

 
Jetzt hat die Mehrheit im Rüsselsheimer Magistrat aber die Strategie gewechselt. Rüsselsheim übt Druck auf die Nachbarstadt aus, indem der Magistrat den Kreisausschuss auffordert, die Raunheimer Pläne abzulehnen. Die geplante Eskalation erfolgt nach Gutsherrenart ohne vorherige Beratung im Stadtparlament und ohne öffentliche Diskussion. Da hätten zahlreiche Rüsselsheimer Bürger sicherlich für das zweckmäßige Nahversorgungszentrum an der Raunheimer Grenze plädiert. Wer der Architekt der Eskalation ist, liegt derzeit noch im Dunkeln. Verantwortung dafür trägt aber Stadtrat Kraft (SPD), zu dessen Dezernat der Fachbereich Umwelt und Planung gehört.

Auch schon früher nach Gutsherrenart

 
Die Bauplanung erfolgte auch schon früher wie nach Gutsherrenart. Letztes Jahr ging der Eigentümer des Canadian-Club-Geländes an die Öffentlichkeit. Für seinen Plan einer Überbauung des Ruinen-Areals hatte er fünf Jahre lang keine Genehmigung von der Stadt erhalten. Die Stadt empfahl ihm sogar einen Architekten ihres Vertrauens, mit dem er neu plante. Aber auch dann gab es keine Genehmigung. Gründe wurden nicht bekannt. Dann trafen sich die Stadtverordneten extra mit dem Investor vor einer Ausschuss-Sitzung auf dem Ruinengelände unmittelbar am Rathaus. Aber auch hier wusste niemand, warum die Baugenehmigung versagt worden war, nicht der Investor und auch keiner der Stadtverordneten. Indirekt kam dann heraus, dass der Magistrat eine Änderung des Bebauungsplans austüftelt. Offenbar ist er die ganze Zeit einfach nicht fertig geworden mit dem Plan: Beschäftigung eines Investors auf eigene Kosten oder Bauaufsicht nach Gutsherrenart.
 
Mit der Baugenehmigung für die freie Kita am Hessenring ist es ähnlich. Bürgermeister Grieser (Grüne) hat den Kita-Träger ultimativ aufgefordert, ein Gebäude in einem anderen Stadtteil zu beziehen, weil die Räumlichleiten am Hessenring mit Asbest verseucht seien. Der Umzug hätte das Aus für den freien Kindergarten bedeuten können. Der Trägerverein wehrte sich jedoch und fand einen Investor für einen Neubau. Der bekommt aber seit Jahren keine Baugenehmigung …

Schreibe einen Kommentar